Ätzen einer Aquatinta-Radierung

Vorbemerkung

Bei der Ätzung kann die Säure nur zwischen den Körnchen der Aquatinta angreifen und frisst sich um diese herum in die Tiefe. Dadurch ergeben sich winzige Kanäle, die je nach Tiefe, abhängig von der Ätzdauer, unterschiedlich viel Farbe aufnehmen können. Bei tief geätzten Partien schließt sich die Farbe zu einer homogenen Fläche, weil die Farbe beim Druck aus den Kanälen über die Stege gequetscht wird. Zu starke Ätzung unterätzt die Kolophonium-Körnchen, die Stege brechen ab und es entsteht wieder eine ebene Fläche, die keine Farbe mehr aufnehmen kann.

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Normalätzung und Unterätzung

Vor allem beim Ätzen mit Salpetersäure ist größte Vorsicht geboten. Salpetersäure ätzt nicht nur in die Tiefe, sondern auch in die Breite. Die Reaktion der Salpetersäure ist schwer zu steuern, sie ist abhängig von Temperatur, Licht, Sättigungsgrad (Grad des Verbrauchtseins), scheinbar sogar vom Wetter, wie in der Literatur berichtet wird.
Achtung! Salpetersäure entwickelt beim Ätzen nitrose Gase, welche die Lunge nachhaltig schädigen und sogar (mit Verzögerung) zum Tode führen können. Frischluft ist absolutes Muss – ebenso ein Abzug.

Sicherer ätzt man mit Eisen-III-Chlorid. Zu bekommen z.B. hier:

Säureansatz

Weil bei der Aquatinta weniger Ätztiefe nötig ist als bei der Strichätzung, muss die Säure nicht so konzentriert sein. Hayter empfiehlt, bei Zink maximal 1 Teil Säure auf 12 Teile Wasser zu verwenden. Bei Kupfer empfiehlt er Holländisches Bad oder verdünnte Eisen-III-Chlorid-Lösung. Eisen-III-Chlorid hat den Vorteil, dass es schwarzes Kupferoxid auf der Platte erzeugt, wodurch der Ätzvorgang leichter zu beobachten ist. Die Schwärzung täuscht jedoch eine Ätztiefe vor, die nicht dem Druckschwarz entspricht. Aquatinta ist besser mit Eisen-III-Chlorid zu ätzen, da es fast nur nach unten und kaum in die Breite ätzt. Es ist ratsam, vor jeder Plattenätzung eine Testätzung durchzuführen. Picasso und andere Künstler haben diese Ätzproben am Rand der Druckplatte durchgeführt. Diese sogenannten „Remarque- Drucke“ besitzen einen hohen Sammlerwert, weil diese Zeichnungen in der Regel für die eigentliche Auflage weggeschliffen wurden.

Vermeiden von „Unterätzung“

Manche der nachbeschriebenen Techniken ergeben nur sehr flache Ätztiefen. Sie lassen sich mit folgender Methode verstärken:

Wird die Platte in einer Stufe geätzt, so passiert es leicht, dass zarte Aquatintatöne verloren gehen, Stege werden unterätzt und brechen weg. Um dies zu vermeiden, ätzen Sie die Platte zuerst für die Lichter an. Nach der ersten Ätzung walzen Sie die Platte mit ‚Ätzfarbe’ ein. Die Ätzfarbe besteht aus Druckfarbe, die mit Wachs, Kolophonium oder Asphalt verschmolzen wird, damit sie säurefest wird. Die eingewalzte Platte stäuben Sie mit Kolophoniumstaub oder Ätzschichtpulver, anschließend noch mit Talkumpulver ein. Den Überschuss kehren Sie mit Watte ab. Die Platte wird dann vorsichtig erhitzt. Die ausgekühlte Platte ätzen Sie stärker. Dieses Verfahren wiederholen Sie mehrmals. Die Flanken der Stege schützen Sie durch immer dünnflüssigere Ätzschichtfarbe.
Herstellung einer Aquatinta – demonstriert auf Youtube

Bemerkungen zur Stufenätzung

Leicht geschieht es bei mehrstufigen Ätzungen, dass man vergisst, einen Teil abzudecken. Hier hilft „Malen nach Zahlen“: Zeichnen Sie auf einem Blatt vor und nummerieren Sie die verschiedenen Graustufen von 1 (weiß) bis n (schwarz) durch.

Tonabstufungen folgen etwa der geometrischen Progression 1:2:4:8:16:32..usw. Dies bedeutet, dass sich eine Verdoppelung der Schwärzung jeweils mit der zweifachen, vierfachen, achtfachen … Ätzzeit ergibt. Die Schwärzung durch Kupferoxid kann, wie bereits erwähnt, bei der Beurteilung nicht als Maßstab genommen werden. Auf der Platte erscheint schon bei leichten Ätzstufen die Schwärzung stärker, als sie letztendlich im Druck zur Geltung kommt. Auch drucken die Abstufungen in stärkeren Ätzstufen differenzierter, als sie auf der Platte den Anschein haben. Die Ätztiefe können Sie mit einer Nadel prüfen oder mit einem Fadenzähler begutachten.

Nach jeder Stufenätzung wird die Platte gewässert und mit dem Fön getrocknet oder zum Trocknen auf ein Küchentuch (Vlies) gelegt. Zum Trocknen dürfen Sie die Platte auf keinen Fall abreiben. Die Aquatinta würde zerstört. Aquatintaplatten reagieren viel empfindlicher als Stichätzungen.

Vorsicht: Wenn Sie die Platte nicht abspülen, sondern nur mit dem Fön trocknen, reagiert die Säure aggressiver. Weil die Säure erwärmt wird, verdunstet der Wasseranteil und der Säurerest auf der Platte wird konzentrierter.

Das Abdecken nach der ersten Ätzung kann mit Harzlösung oder auch Fettkreide erfolgen.

Brooklyn Museum - They Have Flown (Volaverunt) - Francisco de Goya y Lucientes
Francisco José de Goya y Lucientes, Francisco Goya (1746–1828), Tafel 61 aus den Caprichos, 1799, Aquatinta via commons.wikimedia.org

Korrekturen der Ätzung

Nachätzen von Aquatinta-Kornauftrag

Eine Aquatintaplatte kann nachgeätzt werden, wenn der zweite Auftrag von Kolophoniumkorn feiner als der vorhergehende ist. Wird das Korn zu grob aufgetragen, werden die feinen Aquatintastege abgeätzt und die Platte wird heller statt dunkler drucken.

Nachätzen von Aquatinta – Ätzschutz

Die bestehende Aquatintaoberfläche müssen Sie schützen, falls Sie nach einem Probedruck bemerken, dass die Ätztiefe und Schwärzung nicht ausreicht, sonst ätzen Sie die bestehenden Stege weg. Walzen Sie auf die bestehende Aquatinta einen dünnen Hartgrund so sachte auf, dass nur die Oberfläche bedeckt wird und die Näpfchen frei bleiben. Diese Methode funktioniert jedoch nur bei ausgeprägt starker Aquatinta. Sehr feine Aquatintatönungen können Sie so nicht nachbearbeiten.

Einen speziellen Nachätzgrund und weitere Methoden habe ich im Buch beschrieben.

Pinselätzung

Gummisäure

Mit Gummisäure können Sie direkt auf der Aquatinta mit einem mit Ätze getränkten Pinsel zeichnen. Dazu versetzen Sie die Ätze mit etwas Gummi arabicum. Die Gummisäure läuft nicht aus und der Pinselstrich ist klarer umrissen. Normale Pinsel werden sehr schnell von der Ätze zerfressen. Pinsel mit Kunststoffhaar oder Glasfasern sind für diese Methode eher geeignet. Auch Vogelfedern werden nicht zerfressen. Die Konzentration des Ätzmittels muss dabei höher sein, als im normalen Bad.

Ätztusche

Setzen Sie der Ätze zusätzlich etwas Tusche bei, erhalten Sie sogenannte Ätztusche. Dadurch können Sie Ihre Zeichnung besser erkennen.

Dunkle Töne sind nicht erreichbar, da die Tiefe der Ätzung proportional zur Säuremenge ist.
Um die Ätzung schnell stoppen zu können, sollte ein Waschbecken oder eine Wanne mit Wasser bereitstehen.

Fettschicht

Bei einer weiteren Methode versehen Sie die Platte mit einer dünnen Fettschicht, auf die mit Säure gezeichnet wird. Diese löst die Fettschicht auf und greift die Platte an dieser Stelle an.

Pinselätzung mit Mordants

Die etwas pastoseren Ätzmittel, die sogenannten Mordants, deren Zusammensetzung im eigenen Kapitel beschrieben ist, können Sie für die Pinselätzung mit Aquatinta ebenfalls verwenden.

Flächiges Abdecken

Mit der Aquatinta-Technik erzielen Sie durch partielles Abdecken und stufenweises Ätzen der Platte sämtliche Grauwerte. Zum Abdecken haben Sie die Wahl zwischen zwei Verfahren:

Von Hell nach dunkel

Sie decken zuerst alle Teile der Platte mit Abdecklack ab, die weiß werden sollen. Dann kommt die Platte für die erste Graustufe ins Ätzbad. Nach dem Trocknen decken Sie die Flächen, die den gerade geätzten Grauheitsgrad haben sollen ab, ätzen wieder und verfahren so, bis am Schluss nur noch die Stellen offen bleiben, die tiefschwarz werden sollen.

Von dunkel nach hell

Sie decken zuerst die gesamte Platte mit Abdecklack ab. Dann lösen Sie mit einem nicht kratzenden Pinsel und Lösemittel die Stellen weg, die tiefschwarz werden sollen. Das Lösemittel darf die Aquatintaschicht nicht angreifen, also keinen Alkohol enthalten. Nun kommt die Platte für die erste Graustufe ins Ätzbad. Nach dem Trocknen lösen Sie die Flächen, die den nächsten Grauheitsgrad haben sollen ab, ätzen wieder und verfahren so, bis am Schluss nur noch die Stellen abgedeckt sind, die weiß werden sollen. Das Herauslösen bzw. Ablösen des Deckgrundes muss sorgfältig erfolgen. Mit einem Pinsel erhalten Sie Pinselspuren, weil das Ablösen nie vollständig gelingt. Mit Q-Tips (Reinigungsstäbchen) und Lösungsmittel lässt sich der Lack recht gut abheben.

Blastechnik

Mit einem Trinkhalm zerblasen Sie Tusche oder Abdecklack auf der Platte. Es entstehen filigrane, pflanzenartige Strukturen.

Stiftförmiger Abdecklack

Filzschreiber

Sie zeichnen mit Edding 3000. Dieser Filzschreiber (bzw. ähnliche Fabrikate) sind wasser- und säurefest und mit Spiritus ablösbar. Eine Aquatinta-Grundierung ist unbedingt nötig, es sei denn, die Schraffur wird so eng, dass die freibleibenden Zwischenräume klein genug sind, um Farbe aufnehmen zu können.

Zum Übertragen einer Zeichnung (z. B. unter dem Vergrößerungsgerät) arbeiten Sie von hell nach dunkel. Sie decken mit dem Stift zuerst alle Teile ab, die weiß bleiben sollen. Nach der ersten Stufenätzung trocknen Sie die Platte und der hellste Grauton, der gerade geätzt wurde, wird abgedeckt. So werden die einzelnen Grautöne bearbeitet, bis am Ende für die letzte Ätzstufe nur noch das satteste Schwarz übrig bleibt.

Nochmal das Prinzip: Der zuerst abgedeckte Teil wird hell, der zuletzt abgedeckte dunkel.

Tuschefeder

Gezeichnet wird mit Rotring-Wasserfest oder einer anderen, auf Metall haftenden, wasserfesten Tusche. Achtung! Es drucken nicht die Striche, sondern die Zwischenräume zwischen den Strichen. Deshalb ist eine sehr enge Schraffur nötig mit Zwischenräumen, die maximal 0,5 mm betragen. Die Striche werden im Druck weiß, falls eine Aquatinta- Grundierung aufgebracht worden ist. Auch hier arbeiten Sie im Negativ, d. h. bei Stufenätzungen decken Sie zuerst die hellsten Stellen ab, dann die dunkleren.

Matrizen

Das Blaupapier von Spirit-Carbon-Matrizen lässt ähnliche Ergebnisse bei der Zeichnung zu.

Diese Technik unterscheidet sich in wichtigen Punkten vom Vernis Mou:

Weil bei der Ätzung große Flächen geätzt werden, ist diese Technik nur in Verbindung mit einer Aquatinta möglich, die im ersten Arbeitsschritt auf die Platte aufgebracht werden muss (siehe ab S. 38).

Beim Vernis Mou befindet sich der Lack auf der Platte und wird von der Papierrückseite abgehoben. Bei der Matrize befindet sich der Abdecklack auf der Papierrückseite und wird als Zeichnung auf die Platte aufgebracht.

Dies bedeutet, dass Sie im Negativ arbeiten müssen. Stellen, die weiß bleiben sollen, werden zuerst gezeichnet. Sie sind dann durch den Lack der Carbon-Matrize vor der Säure geschützt. Stufenweise decken Sie die grauen Partien ab und ätzen Stufe für Stufe, bis am Ende nur noch die Stellen frei sind, die schwarz werden sollen.

Da es sich dabei um ein Pausverfahren handelt, können Sie mit diesem Verfahren (wie mit Vernis Mou) Zeichnungen, Collagen oder Photographien auf die Druckplatte übertragen.

Kohlepapier

An Stelle von Matrizen sind auch Kohlepauspapiere verwendbar. Dazu benötigen Sie zuerst eine Aquatintabeschichtung. Die Kohle-Fettschicht des Papiers deckt die Platte ab. Die Linien erscheinen im Druck weiß auf schwarz.


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