Indirektes Zeichnen mit Vernis Mou

Crayon-Manier

Vernis mou ist ein sehr weicher Abdeckgrund, der sich schon bei der geringsten Berührung von der Platte löst. Bei dieser Technik wird im Allgemeinen nicht direkt auf der Platte gezeichnet, sondern auf ein darüber gelegtes Papier. Das Papier befestigen Sie auf dem Arbeitstisch über der Platte mit Klebeband. An der Stelle, an der Sie mit Bleistift, Kohle, Kreide oder auch Kugelschreiber Druck auf das Papier ausüben, wird der Lack von der Platte abgehoben.

Bei der Ätzung kann an dieser Stelle die Säure die Platte angreifen. Das Ergebnis hängt sehr stark von der Papierstruktur, der Druckstärke und dem Zeichengerät ab. Es ergibt sich eine Zeichnung mit Bleistiftcharakter. Ein weicheres Papier ergibt die Wirkung des Kreidestriches, Transparentpapier ergibt sehr klare Linien.

Beim Zeichnen auf darüber gelegtes Papier wird die Linienstärke im Weichgrund immer breiter. Die Breite erreicht etwa zweimal die Stärke des Papiers plus die Breite des Stiftes. Auch die Oberflächenstruktur des Papiers wird wiedergegeben. Der Anpressdruck des Stiftes auf dem Papier ist zudem dafür verantwortlich, wie viel Abdecklack abgehoben wird.

Emil Orlik Gustav Mahler 1902 - Crayonmanier
Emil Orlik: Gustav Mahler, 1902, Vernis mou und Kaltnadel. Quelle: commons.wikimedia.org

 

Indirektes Zeichnen auf Gewebe

Bereiten Sie Ihre Vorzeichnung nicht auf Papier, sondern auf einem Leinenstoff, Seide o. ä. vor und zeichnen auf die Weichgrundplatte durch. Benutzen Sie unterschiedliche Bleistiftstärken und unterschiedlichen Druck, um den Weichgrund von der Platte abzuheben. Die Stoffstruktur kommt zur Zeichnung hinzu. Größere Flächen heben Sie mit dem Falzbein oder einer Lederwalze ab.

Paustechnik auf Schmirgelpapier

Bereiten Sie die Platte mit Vernis mou oder Wachsgrund vor. Befestigen Sie Ihre Platte mit Klebeband auf dem Zeichenbrett. Darüber kleben Sie ein möglichst dünnes Schmirgelpapier mit einer 120er-Körnung. Ihre Vorlage befestigen Sie darüber und pausen nun mit sanftem Druck durch. Größere Flächen können Sie mit einem weichen Holz, Falzbein o. ä. durchreiben. Gehen Sie beim Abheben des Schmirgelpapiers sehr behutsam vor, schon leichtes Verschieben ergibt Kratzer!

Pausen mit Vorlage

Auch als Pausverfahren zum Übertragen von Zeichnungen ist diese Technik geeignet. Dazu fertigen Sie von der zu übertragenden Zeichnung eine Fotokopie an, legen diese auf die vorbereitete Platte und darüber ein dünnes Durchschlagpapier, damit Sie sehen können, welche Stellen bereits übertragen sind. Das Durchschlagpapier können Sie auch weglassen, wenn Sie mit einem andersfarbigen Stift die Zeichnung auf der Fotokopie nachspuren. Auch zum Übertragen mehrfarbiger Zeichnungen auf mehrere Druckplatten ist diese Technik geeignet.

Monotypie und Radierung

Walzen Sie die Platte mit Fett- oder Federfarbe ein. Auch eine Mischung aus Vernis mou und Buchdruckfarbe (Kupferdruckfarbe) ist verwendbar. Legen Sie ein dünnes Papier (Luftpost, transparent) darüber. Sie können nun mit dem Bleistift zeichnen oder Flächen mit den Fingern verreiben. Auf dem Papier entsteht als Monotypie dieselbe Zeichnung, die nach der Ätzung als Druckergebnis erscheint. Befestigen Sie Platte und Papier auf einer Arbeitsplatte. So können Sie durch Umschlagen das zu erwartende Druckergebnis beurteilen.

Umdruck einer Monotypie

Walzen Sie die Platte mit Federfarbe ein und legen ein dünnes Papier darüber. Sie können nun mit dem Bleistift zeichnen oder Flächen mit den Fingern verreiben. Auf dem Papier entsteht als Monotypie dieselbe Zeichnung, die sie nach der Ätzung als Druckergebnis erhalten. Sie können dazu auch Vernis mou und Buchdruckfarbe mischen.

Umdruck negativer Texturen

  • Walzen Sie die Platte mit Weichgrund ein
  • Legen Sie ein Papier darüber
  • Legen Sie auf dieses Papier dünnes Material mit Textur, z.B. Gräser, Blätter, Holzfurnier usw.
  • Diese Kombination zwingen Sie mit schwachem Druck durch die Presse
  • Die Textur steht nun als Weichgrundrelief auf der Rückseite des Papiers
  • Das Papier drucken Sie auf eine saubere Platte um
  • Weiterbearbeiten (Ergänzen bzw. Aquatinta aufbringen und ätzen)

Materialabdrucke

Vernis Mou ist ein Abdecklack, der ein fast unbegrenztes Experimentierfeld für Zufallstechniken eröffnet.
Es lassen sich in den Vernis mou verschiedene Materialien eindrücken, die je nach Oberflächenstruktur unterschiedliche Strukturen aus dem Lack herausheben.
Die nachfolgend beschriebenen Materialien drücken Sie von Hand oder mit der Presse in den Lack. Die Arbeit mit der Presse gibt gleichmäßigere Ergebnisse.
Die besten Ergebnisse erhalten Sie, wenn Sie beim Vernis mou sehr schnell arbeiten. So lange die Platte noch warm ist, legen Sie Blätter, Stoffe oder sonstige Dinge auf und drehen das Ganze zügig durch die Presse. Das Metall muss nach der Frottage sichtbar sein, sonst gelingt die Ätzung nicht.

Vernis mou
Wiese mit Mond, Vernis Mou: Gräser, Korken, Tücher (1982) © Wolfgang Autenrieth

Dünner, weicher Weichgrund löst sich sehr leicht und wird beim Aufpressen eines Seidentuches je nach Pressstärke mehr oder weniger Differenzierung zeigen. Bei härterem und dickeren Weichgrund werden nur die stark aufgepressten Partien den Lack ablösen.

Ein glattes Wachspapier über dem Material schränkt unbeabsichtigte Lackverletzungen ein. Über das Wachspapier kann für bessere Ergebnisse ein stärkerer Karton gelegt werden, auf den einige Lagen Zeitungspapier zur Dämpfung und Höhenausgleich gelegt werden. Es genügt schon geringer Druck. Ein glatter, glanzkaschierter Karton oder ein Stück Holz leisten als Pressen-Ersatz gute Dienste.
Verwenden Sie weichere Materialien, wird die Platte nicht direkt verletzt und Sie können den Lack ergänzen oder korrigieren. Härtere Materialien, wie z.B. Sandpapier, prägen sich durch den Vernis mou hindurch in die Platte ein und hinterlassen nicht mehr korrigierbare Spuren.

Drucken und Stempeln in Vernis mou

Mit Pappkantendruck, Fingerdruck, Kartoffelstempel, normalen Stempeln usw. können Sie den Vernis mou abheben und das Ergebnis ätzen.

Wiedererkennbare Materialabdrücke

Es lassen sich mit einer Platte Abdrücke von Baumrinden, Rasenstücken, Mauern, Autoreifen, Schuhsohlen und Blumen (fürs Herbarium) herstellen und weiter ausdeuten.
Blätter, Gräser, ungehobeltes oder sandgestrahltes Holz, Holzfurnier (hier hebt die Maserung den Lack ab), Vogelfedern ergeben sehr deutliche Abdrücke.

Grafische Strukturen

Fell, Prägetapeten aus Tapetenmusterbüchern ergeben eine Vielzahl unterschiedlicher Strukturen, ebenso Samt- und Brokatstoffreste, Lederstruktur, Haut- und Fingerabdrücke

Tuchstrukturen

Vorhangstoffe, gehäkelte Stoffe, zerknülltes Papier, Einwickelfolie, Zellophan oder Tempo-Taschentücher, Gaze, Tüll, Seidenstoffe, Netze, heben den Lack ab und ergeben als Abdruck die Stoffstruktur.

Linien

Schnüre und Fäden, Streichhölzer, Zahnstocher, Gräser und Pflanzen, Heu usw.

Rundformen

Gummiringe, Dichtungen, Einmachgummis, Fäden, Wolle, Münzen erscheinen im Druck wieder seitenrichtig, Lego- oder Duplosteine, Stempel von Autokennzeichen, Schrauben, Muttern, Kanaldeckel, Unterlegscheiben, Korken, Flaschen- und Dosendeckel, Einmachgummis, Konservendosen, Teller, Untertassen, Joghurtbecher usw. usf….

Linienrasterformen

Fadengrafik-Technik

Umwickeln Sie die Platte im Kreuzlinienraster mit Faden, legen ein Wachspapier darüber, pressen durch die Presse und wickeln vorsichtigst wieder ab. Wenn Sie am Rand der Platte regelmäßige, leichte Einkerbungen angebracht haben, können Sie fadengrafikähnliche Linienstrukturen erzeugen. Teile der Platte können Sie dabei mit Schablonen aussparen.
Machen Sie eine Fadengrafik auf Karton, den Sie dazu am Rand einkerben und umwickeln. und vorsichtig umdrucken.

Kreuz- und Parallelschraffuren

Metallgitter, Wellpappe, Mückengitter, Hasendraht, Überbrückungsband v. Verputzen, Spültuch, Teppich, Farbabstreifgitter, Verpackungsband aus Kunststoff.

Schriftformen

Werbeschrift auf Stiften, Maschinen, Geräten, Automarken, Spielzeug (Barbie), Dachplatten, Münzen, Stempel (werden seitenverkehrt!) Autokennzeichen und deren Stempel, selbst hergestellte Stempel aus Klebebuchstaben.

Partielle Frottage

Bringen Sie an der Stelle, an der Sie eine Struktur frottieren wollen, den Vernis mou mit einem Tampon auf die Platte auf. Pressen Sie Ihre Struktur auf oder zwingen sie, geschützt mit einem Wachspapier, durch die Presse. Anschließend decken Sie alle umgebenden Flächen mit Abdecklack ab und ätzen.

„Negative Vernis Mou“

Diese Technik wurde von mir entwickelt – mit Wachs-Spirit-Carbon-Matrizen (Hectograph Stencil Transfer Copier Paper Sheets) kann man den weichen Grund direkt auf die Platte partiell auftragen. Damit die Vorlage richtig umgesetzt wird, muss dabei im Negativ gearbeitet werden – man zeichnet die hellen Stellen – die nicht abgedeckten Stellen der Platte werden geätzt und im Druck schwarz.

Ätzradierung
Da gibt’s nur eins (1982) © Wolfgang Autenrieth, Creative Commons Attribution-Share Alike 4.0 International

Anmerkungen:
Diese Onlineversion basiert auf dem ersten Buchmanuskript aus dem Jahr 1997. Die erste – bereits stark erweiterte und überarbeitete – Buchauflage erschien im Jahr 2004.
Aktuell ist das Buch in der nochmals korrigierten und erweiterten 7.Auflage vom Jahr 2020 erhältlich. Während die einzelnen Seiten dieses Webauftritts oft nur wenige, kurze Absätze enthalten, ist das Buch aktuell zweispaltig und mit minimalem Rand auf 232 DIN-A4-Seiten bedruckt, weil die zahlreichen Informationen nur noch so zwischen zwei Buchdeckel passen. Das Buch enthält nur wenige Illustrationen, dafür umso mehr „Input“. Als ergänzender ‚Bildspeicher‘ dient dieser Onlineauftritt.

Die Website besteht auch seit 2004 – sah früher allerdings so aus: ➥ www.ätzradierung.de ;-). Mit der gedruckten Auflage ist die Website nur in Ansätzen vergleichbar, sie enthält nur einen Teil der Informationen vom Buch und kann nicht korrigierte Fehler enthalten.

Informieren Sie sich vor der Anwendung der Rezepturen unbedingt auch aus anderen Quellen! Beachten Sie das Kapitel ➥ Vorsicht Chemie!

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