Was ist eine Originalgrafik?

Zum Begriff der “Originalradierung” und “Originalgrafik”

1960 hat der „Print Council of America“, eine Vereinigung von Künstlern, Grafiksammlern, Kunsthändlern und Konservatoren eine Definition der Originalgrafik verfasst. Ein Druck soll nur dann als Originalgrafik gelten, wenn er vom Künstler eigenhändig auf Stein, Kupfer, Holz oder Linoleum geschnitten oder gezeichnet ist. Eine Auflage darf allein vom Originaldruckstock vom Künstler selbst oder von ihm beauftragt gedruckt werden. Die Auflage muss exakt limitiert und vom Künstler signiert und gutgeheißen sein. Der lithografische Umdruck wurde gestattet, photographische Mittel jedoch untersagt.

Ebenfalls 1960 hat der „Internationaler Kongress der Bildenden Künste“ in Wien eine gültige Definition des Begriffs der Originalgraphik (Radierung, Kupferstich, Lithographie, Linolschnitt, Holzschnitt, Serigraphie, Monotypie) als Resolution beschlossen.

Erfolgreiche und berühmte Künstler der Pop-Art widersetzten sich diesem Verbot erfolgreich – so z.B. Warhol, Johns, Rauschenberg etc.  Damit war diese Einschränkung obsolet. Zur Zulässigkeit photographischer Hilfsmittel habe ich meinen Standpunkt und die für mich geltenden Einschränkungen auch bereits eingangs dargelegt. Den Rest regelt der Markt.

Der Wortlaut der Erklärung zur ‚Originalgrafik‘

  1. Es ist das ausschließliche Recht des Künstlerdruckers, die definitive Auflagezahl jedes seiner graphischen Werke in den verschiedenen Techniken, wie Kupferstich, Lithographie usw., festzulegen.
  2. Jeder Druck muss, um als Original betrachtet zu werden, nicht nur die Signatur des Künstlers tragen, sondern auch eine Angabe hinsichtlich der Gesamtauflage und der Seriennummer des einzelnen Druckes aufweisen.
  3. Die oben genannten Prinzipien beziehen sich auf graphische Arbeiten, d. h. auf Drucke, für welche der Künstler die Originalplatte herstellte, den Holzblock schnitt, den Stein oder ein entsprechendes anderes Material bearbeitete. Werke, die diese Bedingungen nicht erfüllen, müssen als Reproduktionen angesehen werden.“
Akademie der Bildenden Künste, Wien, 1880
Akademie der Bildenden Künste, Wien, 1880.

Signaturen

Jeder Künstlerdruck muss mit einer ➥Signatur und der Angabe zur Auflagenhöhe versehen sein. Nur so kann die Originalgraphik einen eigenständigen Sammlerwert gegenüber Massendruckwaren erhalten. Neben der Künstlersignatur und dem Druckjahr können auch Angaben zum Drucker, zum Urheber der Vorlage, zum Verlag und Herausgeber notiert werden. Die Vorgaben haben sich über die Jahrhunderte hinweg nur geringfügig geändert.

Definition der Originalgrafik – eigene Formulierung

Der Begriff Originalgrafik bezeichnet in der Bildenden Kunst ein eigenständiges, originäres Kunstwerk, das durch ein grafisches Druckverfahrens vervielfältigt wird. Im Gegensatz zur Reproduktionsgrafik, die ein bereits existierendes Kunstwerk (wie ein Gemälde oder eine Zeichnung) lediglich mechanisch oder fotomechanisch kopiert, nutzt die ‚Originalgrafik‘ die Drucktechnik selbst als eigenständiges künstlerisches Herstellungs- und Ausdrucksmittel.

Kernkriterien der Originalität

Die Originalität einer Grafik wird primär durch die direkte Beteiligung des Künstlers an der Herstellung des Druckstocks (oder der Druckplatte/des Steins etc.) definiert. Die wesentlichen Merkmale sind:
– Künstlerischer Entwurf und Ausführung: Die Druckform (z. B. eine Kupferplatte, ein Holzblock, ein Lithostein) wird vom Künstler selbst entworfen und bearbeitet (geschnitten, geätzt, gezeichnet). Er schafft damit das Original der Druckvorlage.
– Druckvorgang: Die Abzüge können entweder vom Künstler eigenhändig gedruckt oder unter dessen Anweisung und Aufsicht in einer professionellen Werkstatt hergestellt werden.
– Limitierte Auflage und Kennzeichnung: Originalgrafiken erscheinen in der Regel in einer streng limitierten Auflage (Edition). Jedes Blatt (jeder Abzug) der Auflage wird vom Künstler handsigniert und nummeriert (z. B. „5/50“ für das fünfte von 50 Exemplaren), um die Begrenzung und Echtheit zu dokumentieren. Nach Abschluss des Auflagendruckes wird die Druckform in der Regel zerstört („gekreuzt“), um nachträgliche unerlaubte Abzüge zu verhindern – und somit den Wert der Auflagendrucke zu gewährleisten.

Typische Verfahren

Zu den klassischen Drucktechniken, die für die Herstellung von Originalgrafiken verwendet werden, zählen der Hochdruck (wie Holzschnitt und Linolschnitt), der Tiefdruck (wie Radierung und Kupferstich) und der Flachdruck (wie die Lithografie). Auch die Serigrafie (Siebdruck) gilt, sofern der Künstler die Siebschablone selbst entwirft, als Verfahren zur Herstellung von Originalgrafiken.

Künstlerische Bedeutung

Die Originalgrafik ist somit nicht bloß eine Kopie, sondern ein Unikat im multiplen Format. Jedes einzelne Blatt ist ein gültiges Original, da der künstlerische Prozess der Bildfindung direkt in die Struktur der Druckform und in den Abzug eingeht. Geringfügige, manuelle Abweichungen im Druckvorgang machen zudem jeden einzelnen Abzug zu einem individuellen Werk. Sie ermöglichen Künstlern, ihre Werke einem breiteren Publikum zugänglich zu machen, ohne auf die künstlerische Authentizität verzichten zu müssen. Einen besonderen Wert haben dabei Drucke außerhalb der eigentlichen Auflage, die als Probedrucke oder Künstlerexemplare mit den Kürzeln E.A. („Epreuve d’Artiste“) oder h.c. („Hors Commerce“=außerhalb des Handels) gekennzeichnet sind. Ebenso sind niedrige Nummern innerhalb der Auflage – besonders bei Kaltnadelradierungen – wertvoller als höhere Nummern, weil die Druckqualität in der Regel höher ist.

Literatur

• Hans Dieter Huber, Kleine Mediengeschichte der Radierung aus: Ottnad, Clemens (Hrsg.): Inventur : zeitgenössische Radierung in Deutschland ; [Ausstellungskatalog], Freiburg 2008, S. 6-11;
Digitalisat: ➥https://archiv.ub.uni-heidelberg.de/artdok/5930/1/Huber_Kleine_Mediengeschichte_der_Radierung_2008.pdf

• What is an Original Print? recommended by the Print Council of America, 1966-1967
Digitalisat: ➥https://printcouncil.org/assets/pdf/What is an Original Print 1967.pdf


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