Mezzotinto / Schabkunst: Die „englische Manier“

Die Mezzotinto – Radierung ist eine barocke, zeit- und arbeitsaufwändige Tiefdrucktechnik aus dem 17.Jahrhundert. Sie kommt der Darstellung von Licht und Schatten sehr entgegen. Die Mezzotinto wurde 1662 von Ludwig von Siegen in Deutschland erfunden, jedoch bald als „englische Manier“ bezeichnet. Im 18. und 19.Jahrhundert wurde sie vor allem für die Herstellung von Gemälde-Reproduktionen verwendet. Erst Edward Munch verhalf ihr zu einer künstlerischen Eigenständigkeit. Die Schabkunst ist das Druckverfahren, das besonders effektvoll Plastizität und Körperhaftigkeit sowie Licht und Schatten darstellen kann.

Plattenvorbereitung

Zinkplatten sind für die Mezzotinto-Technik ungeeignet, bewährt hat sich die Messingplatte (goldgelb) aus 34% Zink und 66% Kupfer.
Kupferplatten sollten etwas stärker sein (ca. 1,5-2mm). Die Platte wird blank poliert, anschließend werden mit verschiedenen Wiegemessern in die Plattenoberfläche gleichmäßige Vertiefungen gedrückt, so dass sich im Druck eine samtig-schwarze Fläche ergäbe. 

Samuel Johnson Mezzotinto 1770
James Watson (ca.1740-1790): Portrait von Samuel Johnson, 1770 – Quelle: commons.wikimedia.org


Die verwendeten Wiegemesser (auch Granierstahl, Rocker oder Berceaux genannt) besitzen zahlreiche kleine Zähnchen, die je nach verwendetem Messer verschiedene Körnungen ergeben. ➥ Charbonel bietet Mezzotintomesser mit 4 verschiedenen „Rasterweiten“ an: 50/65/85/100 Linien pro Zoll. Zu jeder Rasterweite sind verschiedene Größen zwischen 13mm Breite und 150mm Breite im Angebot. Nur die Messerwiegetechnik ergibt den tiefschwarzen, samtigen Effekt, der durch die große Farbmenge entsteht, die eine gewiegte Platte aufnehmen kann. Beim Wiegen entstehen nämlich lauter kleine Grate wie bei der Kaltnadelradierung. Die Mezzotinto-Platte ist empfindlich wie eine Kaltnadelradierung und lässt entsprechend wenig Abzüge zu, solange sie nicht ➥ verstahlt oder verchromt wird. Die Zeichnung wird danach durch Abflachen als Weißhöhung wieder herausgeschabt.

Diderot: Encyclopaedie francaise - Abb aus ital. Wikimedia - Mezzotinto
Encyclopédie, Diderot et d’Alembert, Maniera nera – die schwarze Manier 1576, Abbildung übernommen von http://it.wikipedia.org
The 7th Earl of Shaftesbury by William Strang 1885 - Mezzotinto
William Strang: Portrait des 7th Earl of Shaftesbury. 1885, Quelle: commons.wikimedia.org

Aufrauen mit Scheibensägen

Krejca beschreibt einen scheibenartigen Körner, der aus Sägeblättern besteht, die auf einer Walze nebeneinander montiert sind. Die Scheibensägen besitzen einen Durchmesser von 10-15 cm und sind fest auf einer Gewindestange im Abstand von ca. 5 mm befestigt. Als Abstandshalter zwischen den Sägeblättern sind Unterlegscheiben oder Muttern geeignet. Schieben Sie als Handgriffe links und rechts jeweils eine dünne Papp- oder Metallröhre über die Welle. Mit derartigen Handgriffen lässt sich die Scheibensäge leicht rollen.

Aufrauen mit Teppichkamm

Teppichkamm-Mezzotinto, 1983, © Grafik: Wolfgang Autenrieth, Creative Commons Attribution-Share Alike 4.0 International

Ein Teppichkamm ist ein Stück Holz mit mehreren nebeneinander liegenden Stahlstiften. Damit lässt sich die Platte in Kreuzschraffur aufreißen. Dadurch entsteht zwar nicht der samtig-schwarze Ton der Mezzotinto, dafür ist das Werkzeug um Klassen billiger.

Aufrauen mit Zwiebelschneider

Mit einem Küchen-Wiegemesser, wie es zum Zwiebel- oder Kräuterschneiden verwendet wird, drücken Sie Schraffuren in die Platte.

Zeichentechnik

Klassische Zeichentechnik

Bei der Mezzotinto-Technik schaben Sie ausgehend von dieser dunklen, rauen Oberfläche die Helligkeiten heraus. Mit Polierstählen werden die hellen Partien herausgearbeitet und poliert. Durch Schaben mit dem ➥ Dreikantschaber erhalten Sie bessere Ergebnisse als durch Herausdrücken mit dem Polierstahl. Stellen, die rein weiß werden sollen, polieren Sie nach dem Schaben mit dem Polierstahl und Öl. Um Schwärzungen wieder herzustellen, wird die Roulette verwendet.

Alles ist eitel, Johann Jakob Haid
Johann Jacob Haid: Alles_ist_eitel, ca.1750, via commons.wikimedia.org

Bei der Arbeit ist diffuses Licht zu empfehlen, damit Sie die Platte besser beurteilen können. Befestigen Sie Gaze bzw. Seidenstoff am Fenster oder verwenden Sie Milchglas. Die Ersatztechniken erzeugen blassere Ergebnisse.

Zeichentechnik nach Krejca

Bestreichen Sie die gekörnte Platte mit Temperafarbe oder mit einer Mischung aus Druckfarbe und Talg. Die Vorzeichnung können Sie anschließend mit weißer Kreide darauf aufbringen. Mit einem scharfen Dreikantschaber oder Skalpell schaben Sie anschließend die Helligkeiten heraus. Die hellsten Stellen und weiche Übergänge drücken Sie mit dem Polierstahl flach.

Quarzsand-Mezzotinto

Sie entfetten die Platte, bestreuen sie mit Quarzsand, stauben sie ab und legen ein Ölpapier darüber. Dann legen Sie eine 2. Platte darauf und treiben beide Platten durch die Presse. Die sanften Vertiefungen lassen sich leicht wieder heraus schaben. Die Platte kommt an die samtige Schwärze des Schabkunstblattes heran, erreicht jedoch nicht die Tiefe.

Schmirgelpapier-Mezzotinto

Das gleichmäßige Aufrauen der Oberfläche gelingt auch, wenn Sie eine polierte Platte gemeinsam mit einem Bogen Schmirgelpapier (30er bis 100er) unter gutem Druck durch die Presse treiben. Die Schmirgelpapierkörnchen ergeben kleine Vertiefungen in der Plattenoberfläche.

Bessere Ergebnisse erhalten Sie, wenn Sie mehrmals frisches Schmirgelpapier durch die Presse zwingen. Kreica empfiehlt 6 Durchgänge. Collagen aus unterschiedlichen Sandpapierkörnungen ergeben verschiedene Helligkeiten. Es ist jedoch nicht so, dass der Ton umso schwärzer wird, je feiner und dichter das Sandpapier ist. Vielmehr prägen gerade grobe Sandpapiere tiefe Vertiefungen in die Platte, die entsprechend viel Farbe aufnehmen können. Um eine ausgeprägte Schwärzung zu erreichen, können sie 40-er oder 60-er Schmirgelleinwand mehrmals durch die Presse zwingen und dabei die Position jeweils verändern.

Richard Earlom - A Blacksmith's Shop
Richard Earlom: Schmiedewerkstatt, 1771, via commons.wikimedia.org

Wird das Schmirgelpapier an einem Schwingschleifer befestigt, erzeugen Sie eine feine Ringstruktur auf der Platte. Diese feinen Kratzer sind jedoch nicht sehr tief und nehmen nicht viel Farbe auf. Mit dem Walzton-/ Einstaubverfahren können Sie die Linien vertiefen.
Mit dem Schleifpapier ist auch ein sehr dichtes, feines Kreuzlinienraster möglich. Die feinen Schleifpapierkratzer ergeben aber keinen guten, satten Farbton. Mit dem nachfolgend beschriebenen Walztonverfahren können Sie die Kratzer tiefer ätzen.

Synonyme und Abbildungen

  • Mezzotinzo, Schabkunst, Schwarzweißkunst, Englische Manier, schwarze Kunst, Sammetmanier (dt.)
  • mezza tinta (=Mittelfarbe), Mezzatinta, Maniera Nera, Inzisione a fumo (ital.)
  • Gravure en la manière noire, Manière noire, Art noir, La Manière anglaise (frz.)
  • Mezzotint engraving, Mezzotint, manière noire (engl.)
  • Zwarte Kunst, Mezzotint, Engelse prent (holl.)
  • Links zu Abbildungen siehe ➥ Bildbeispiele

Anmerkung:
Die Onlineversion basiert auf dem ersten Buchmanuskript von 1997 und ist mit dem Buch nur noch in Ansätzen vergleichbar. Die Seiten dieses Webauftritts enthalten oft nur wenige, kurze Absätze.  Das Buch ist zweispaltig gedruckt, damit die Informationen zwischen zwei Buchdeckel passen. Das Buch enthält hauptsächlich „Input“ – die Website dient als ergänzender ‚Bildspeicher‘. 

Erhältlich ist das Buch in erweiterten 7.Auflage mit 232 DIN-A4-Seiten.

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Informieren Sie sich vor der Anwendung der Rezepturen unbedingt auch aus anderen Quellen! Beachten Sie das Kapitel ➥ Vorsicht Chemie!
Die Rezepturen sind der (historischen) Fachliteratur entnommen, sind nur teilweise selbst getestet und können (Übertragungs-)Fehler enthalten.
Quellenangaben zur Herkunft der Rezepturen finden Sie im Buch. Ich empfehle dringend, sich vor Anwendung der Rezepturen stets die Etiketten, Warnhinweise und Anleitungen durchzulesen, die mit den Chemikalien geliefert werden und fachkundigen Rat einzuholen. Chemikalien (und auch Naturstoffe) können karzinogen, erbgutschädigend und gesundheitsschädlich sein. Verwenden Sie Handschuhe und weitere Schutzmaßnahmen wie Mundschutz etc.

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