Die Kaltnadelradierung

Kaltnadelradierung von Lovis_Corinth:_Drei_Personen_am_Tisch, 1924, Quelle: WP, gemeinfrei
Kaltnadelradierung von Lovis_Corinth:_Drei_Personen_am_Tisch, 1924, Quelle: WP, gemeinfrei

Die Kaltnadelradierung erhielt ihren Namen, weil die Platte nicht erwärmt werden muss, damit der Ätzgrund aufgetragen werden kann. Andere Autoren führen die Namensgebung darauf zurück, dass sich die Platte bei den Ätzverfahren erwärmt. Im Gegensatz zum „warmen“ Verfahrensablauf der Ätzradierung wird bei der Kaltnadeltechnik mit der Nadel unter Druck und Kraftaufwand mechanisch in die Plattenoberfläche zerkratzt und vertieft. Bei der Ätzradierung kann dagegen sehr frei – wie auf Papier – in den Abdecklack gezeichnet werden. Das Metall wird erst anschließend durch die Ätzung vertieft.

Der Linienausdruck der Kaltnadelradierung ist samtig, malerisch, weil die die meiste Farbe bei der Kaltnadel nicht in der aufgerissenen Furche hängt, sondern am aufgeworfenen Grat. Während die Linie bei der Strichätzung klar und „kalt“, scharf geschnitten erscheint, ist die Linie der Kaltnadel weich, warm und nicht so tiefschwarz. Rembrandt gab seinen Platten mit der Kaltnadel die schwarze Tiefe und erzeugte durch Strichätzungen in den Lichterpartien zusätzlich eine Zeichnung.

Je weicher das Metall ist, desto leichter lässt sich mit der Radiernadel der charakteristische (und notwendige) Grat aufwerfen. Je weicher das Metall ist, umso schneller drückt sich dieser Grat jedoch auch wieder flach und umso weniger gute Abzüge erzielen Sie.
Die Radiernadel hat eine Spitze aus Stahl, Saphir oder Diamant. Zink ist zu weich für die Kaltnadeltechnik, es nutzt sich beim Druck sehr schnell ab und lässt nur etwa 10 gleichartig gute Abzüge zu. Der geringe Widerstand beim Zeichnen in Zink muss mit einer sehr geringen Auflage bezahlt werden.

Auflage und Verstahlen

Kaltnadel von Lovis Corinth: Selbstbildnis im Strohhut, 1913
Kaltnadel von Lovis Corinth: Selbstbildnis im Strohhut, 1913

Mit einer Kupferplatte erreichen Sie eine Auflage von 20-30 gleichartigen Abzügen. Hayter meint, das sehr harte „beryllium-copper-alloy“ sei ein ideales Material für Kaltnadel. Sie sollten die Kaltnadelplatte möglichst verstahlen, weil sich die Grate bei jedem Druck abnutzen und die Radierung ihre charakteristische Weichheit verliert.
Das Verstahlen oder Verchromen der Platte bietet die Möglichkeit der Auflagensteigerung. Sie können dadurch die Auflage auf 50-100 Abzüge steigern. Probedrucke sollten weitgehend vermieden werden, weil jeder Druck den aufgeworfenen Grat abnutzt.

Kontrolle und Beurteilung

Den Arbeitsfortschritt bei der Kaltnadel können Sie beobachten, wenn Sie ab und zu etwas Druckfarbe auf die Platte reiben und mit dem Handballen blankreiben. Halten Sie die Platte danach vor einen Spiegel und Sie können das zu erwartende Druckergebnis sehen. Auch beim Schaben zu tief geratener Linien lässt sich das Ergebnis durch Einreiben mit Druckfarbe recht gut beurteilen.

Vorsicht!
Beim Wischen und Radieren können die scharfen Grate die Haut verletzen.
Tipp: Kleben Sie ein Heftpflaster an Finger und Handrücken und arbeiten Sie mit einer Radierbrücke.

Linienarten

Kaltnadelradierung von Ernst Ludwig Kirchner, Paar in der Bibliothek, 1930
Kaltnadelradierung von Ernst Ludwig Kirchner, Paar in der Bibliothek, 1930

Das Ergebnis der Kaltnadelradierung hängt stark davon ab, wie Sie Ihre Nadel halten.
Hayter unterscheidet 4 Linienarten:

  • Eine senkrecht gehaltene Nadel ergibt zwei Grate und damit im Druck eine Doppellinie
  • Halten Sie die Nadel in einem Winkel von 30°, ergibt sich nur ein Grat und eine breite Linie
  • 30°- 60° schräg gehaltene Nadel ergibt einen Sägezahngrat
  • Die über 60° geneigte Nadel entfernt den Grat und ergibt nur die Vertiefungslinie, die jedoch nicht so dunkel druckt.

Synonyme und Bezeichnung in anderen Sprachen

Die nachfolgenden Schlagworte / Synonyme sind mit Bildbeispielen zur Kaltnadelradierung auf commons-wikimedia.org verlinkt:

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