Radieren auf Kunstglas & Kunststofffolien

Die Kunststoff-Radierung

Eine Kunststoffradierung / Folienradierung ist für Schüler der Sek I sehr motivierend, weil diese Methode dem Anspruch dieser Altersgruppe an die Wirklichkeitstreue entgegenkommt.  Ich habe bereits mit Schülern einer 4.Klasse Radierungen auf 0.5 mm starkem Kunstglas hergestellt. Dieses ist auf Rollen preisgünstig im Baumarkt erhältlich und kann mit dem Cutter, einer stabilen Schere oder der Schlagschere auf eine passende Größe zurechtgeschnitten werden.

Rollen-Kunstglas aus dem Baumarkt, abgeschnitten mit der Rosenschere/Blechschere, gedruckt auf etwas zu stark gefeuchtetes Ingrespapier
Rollen-Kunstglas aus dem Baumarkt, abgeschnitten mit der Rosenschere/Blechschere, gedruckt auf etwas zu stark gefeuchtetes Ingrespapier


Die Radiernadeln / Nägel hatte ich im Technikraum an der Schleifmaschine zugespitzt – sie wurden dabei heiß und nach dem Abschrecken in Wasser war das Eisen gehärtet.
Noch besser sind kleine Stahlnägel, denen ich mit der Beißzange den Kopf abschlage. Wenn man den Nagel dabei in ein Stück Papier steckt, saust er nicht durch das Zimmer ;-) Dann nimmt man ein Stück Runddübel, bohrt mit einem kleinen Bohrer (knapp kleiner als der Nagel) ein Loch und steckt den Nagel da rein – fertig ist die Radiernadel.
Da ist ein Klassensatz im Nu fertig.

Radierung auf OHP-Folien

Kaltnadelradierung auf Tageslichtfolie, eingefärbt mit Linoldruckfarbe, Schülerarbeit Klasse 9 (Hauptschule)

Mit Schülern der Klassenstufe 8 und 9 habe ich auch mit OHP-Folien gearbeitet. Hier lautete das Thema „Mein Superstar“ – die Schüler brachten ein Bild aus einer Jugendzeitschrift mit und pausten/kratzten das mit einem zugespitzten 10-cm-Nagel auf die Folie. Der Vorteil dieser Technik für diese Altersstufe liegt darin, dass die Schüler hohe Ansprüche an sich selbst stellen, was die Wirklichkeitstreue betrifft. Da kommt ihnen diese Technik entgegen. Ich habe aus Modezeitschriften großformatige Bilder gerissen und ihnen einen Stapel zum Aussuchen als Vorlage zum „Durchpausen“ hingelegt. Das klingt zunächst „unkünstlerisch“ – die Schüler müssen jedoch das Bild abstrahieren und die Schatten durch Schraffuren und die Konturlinien gestalten. Über ihre Ergebnisse waren sie „stolz wie Bolle.“

Damit die Schüler während der Arbeit beurteilen können, wie das im Endeffekt ausschaut, habe ich ihnen zwei „Tricks“ gezeigt:
1.) Die Folie wird auf einer Seite mit Klebeband auf der Vorlage befestigt. Damit verrutscht sie nicht – und man kann immer wieder ein weißes Schreibmaschinenpapier unterschieben.
2.) Um die Schraffur besser beurteilen zu können, wird ein Bleistift/Buntstift über der Folie angespitzt und der Spitzerabfall mit dem Finger in die gekratzten Linien gerieben. Dieser „Farbstaub“ kann mit Wasser und Seife vor dem eigentlichen Druck wieder ausgewaschen werden.

Nach dem Einfärben entsteht ein „➥ Cliché-Verre„, das zur Belichtung von Cyanotypien verwendet werden kann – oder als „Hinterglasbild“. Die Schüler erfahren bei dieser Technik Möglichkeiten der Hell-Dunkel-Schraffierung und gleichzeitig Proportionen des menschlichen Körpers. Beim Kratzen mit angespitzten Nägeln, die ich in Rundhölzer gesteckt hatte, erfolgte die Kontrolle dadurch, dass ein Bleistift gespitzt und das Graphitpulver in die entstandenen Vertiefungen gewischt wurde. Durch Einfärben mit Linoldruckfarbe (und Auswischen mit Küchenkrepp) tritt die Zeichnung hervor.

Bildbeispiele für die Kunststoffradierung / Folienradierung

 

Hier war die Vorlage identisch. Die Ergebnisse sind jedoch individuell. Radierdruckfarbe verwende ich mit den Schülern nicht, weil die (Hand-)Reinigung mit gesundheitsschädlichen Lösungsmitteln erfolgen müsste. Falls man Nitroverdünnung im Unterricht verwendet, steht man mit einem Bein bereits vor dem Richter – die leicht flüchtigen Gase können Hirnschäden und Brände verursachen.

Beim Drucken habe ich gute Erfahrungen mit Schul-Linoldruckfarbe gemacht. Einreiben mit zusammengerollten Stofftampons, drucken auf (mit der Sprühflasche) leicht angefeuchtetem, weichem, etwas dickerem Papier. Geeignet ist Aquarellpapier, Kupferdruckbütten, Ingrespapier oder selbst geschöpftes Papier. Als Ersatzpresse dienen ein Löffelrücken, ein Nudelholz, eine Rasenwalze oder eine harte Gummiwalze. Mit dem Lehrerfahrzeug können gleichzeitig vier Platten gedruckt werden. Sperrholzplatte oben und unten und Gas geben. Optimal wird der Druck natürlich mit der Radierdruckpresse und Kupferdruckbütten. Reinigung der Druckplatte im Waschbecken oder Wassereimer.

Radierungen auf CDs / DVDs

Geeignet sind auch alte Computer-oder Film-CDs/DVDs. Diese ergeben, wenn die Seiten abgebrochen oder angesägt werden und mit Bohrern durchbohrt werden, haptische Effekte im Büttenpapier.

Drucken

Als Farbe funktioniert wasserlösliche Linoldruckfarbe und Schuhcreme – die es in verschiedensten Farben gibt ;-) Auch wasservermalbare Wachsmalstifte können zum Einfärben und Drucken verwendet werden. Wenn das Papier mit einer Sprühflasche leicht angefeuchtet wird, kann man mit einem Löffelhanddruck auf weichem Papier drucken.

Druckplatten

Geeignet sind alle glatten, flächigen und ebenen Materialien, von denen sich die Druckfarbe wieder abwischen lässt. Die Materialien dürfen unter Druck nicht brechen (wie z.B. Glas) und die Oberfläche muss durch Kratzwerkzeuge oder Chemikalien verletz- und vertiefbar sein:

  • Kunstglas aus dem Baumarkt
  • Rhenalonplatten
  • CDs, DVDs
  • Kopierfolie
  • Deckel und Seitenwände von Kunststoffboxen (Ränder entfernen)
  • Resopalplatten
  • Bodenlaminat
  • Umschläge von Leitzordnern aus Vollplastik
  • Umschläge von Schnellheftern (Rückseiten sind stabiler)
  • Vorderer Deckel von CD-Hüllen (Rand kann als Prägerand dienen)
  • Vorderer Deckel von DVD-Hüllen (schwarz –
  • Scheiben von IKEA-Bilderrahmen
  • Böden von Stapelboxen

Farben

  • Linoldruckfarbe
  • flüssige Wasserfarbe (mit Magnesia „strenger“ machen)
  • Fingerfarbe (mit etwas Salatöl als Trocknungsverzögerer)
  • Schuhcreme
  • selbst hergestellte Farbe – dazu gibt es ➥ ein eigenes Kapitel

Papier

  • Kupferdruckpapier (claro)
  • Ingrespapier
  • selbst geschöpfte Papiere – dazu gibt es ➥ ein eigenes Kapitel
  • Küchenkrepp (auf stabileres Papier aufkleistern)
  • Klopapier (dito)
  • saugfähiges Aquarellpapier
  • … das Papier sollte nicht „gestrichen“ oder geleimt sein
  • Chinapapier
  • Pergament
  • Hadernpapier (aus Baumwolle oder Lumpen ➥ z.B.🛒 hier )
  • … das Papier sollte nicht „gestrichen“ oder geleimt sein

 


Diese Onlineversion ist mit dem Buch nur noch in Ansätzen vergleichbar. Sie dient als 'Appetithappen und ergänzender Bildspeicher' für das Buch. ➜ Das Buch ist erhältlich in der mehrfach erweiterten 7.Auflage ( ISBN 978-3-9821765-0-5 )  / Im Text weist der Einkaufswagen (🛒 ➜) auf Bezugsquellen (Affiliate-Links) hin. / Auch für Online-Veröffentlichungen gilt das Copyright! Inhalte dieser Website dürfen nur im üblichen Zitatumfang verwendet werden. 

Quellenangabe ist obligatorisch: Wolfgang Autenrieth: Neue und alte Techniken der Radierung und Edeldruckverfahren – ISBN 978-3-98217650-5 / Zitiert aus der gekürzten Onlineausgabe: https://radiertechniken.de/ – gesehen am: