Radierwerkzeuge

Radiernadeln

Das gebräuchliste Radierwerkzeug ist die Radiernadel für die Kaltnadel- und Strichradierung. Radiernadeln gibt es in verschiedenen Ausführungen. Sie sind entweder vollständig aus Metall oder besitzen einen Holzschaft. Für die Kaltnadelradierung sind Ganzmetallausführungen empfehlenswert, weil diese durch das Eigengewicht der Nadel mehr Druck auf die Platte ausüben. Nadeln und Schaber haben verschiedene Profile:

Für die Ätzradierung sollte die Nadel nicht zu spitz sein, da die Linie sonst zu dünn wird. Im Gegensatz zur Kaltnadelradierung ergibt sich nämlich keine merkliche Linienverbreiterung durch den aufgeworfenen Grat.

Radiernadel selbst herstellen

Eine gute und billige Radiernadel können Sie aus einem Stahlnagel herstellen, den Sie mit der Beißzange geköpft haben. Dieser lässt sich jedoch nur köpfen, wenn Sie die Beißzange auf einen Stein auflegen und ihr mit dem Hammer einen satten Bumms geben. Meine ersten Nägel sind dann weit durch den Raum gesaust und die Sucherei ging los – bis ich auf die Idee kam, sie in einen Papierstreifen zu stecken und erst dann abzukneifen.

Von einem Buchenstab (Durchmesser 1 cm) sägen Sie ein ca. 15 cm langes Stück ab und bohren mit einem ganz dünnen Bohrer ein kleines Loch an die Stirnseite, in den sie den Nagel einschieben. Den Nagel können Sie mit einer Flex, Schleifmaschine, Bandschleifer, Ölstein oder Feile weiter zuspitzen.

Verwenden Sie einen normalen Nagel, so wird er mit der Zeit stumpf. Verhindern können Sie dies durch Härten: Sie erhitzen den Nagel mit einem Gas- oder Torchbrenner bis zur Rotglut, schrecken dann in Öl oder Wasser (20°C) ab. Das Metallgefüge wird dadurch verändert und sehr spröde. Sofort nach dem Härten schmirgeln Sie das Metall blank und erhitzen es nochmal bis zu violettblauer Farbe. Durch dieses „Anlassen“ mildern Sie die Glashärte des Metalls und die Nadel bricht nicht ab.

Sicher haben Sie das auch schon erlebt: Sie wollen mit einem Bunt- oder Bleistift zeichnen und die Mine schiebt sich nach hinten heraus. Werfen Sie diese Stifte nicht weg, sondern machen Sie eine Radiernadel daraus: Köpfen Sie einen Stahlnagel, bestreichen ihn hinten mit Sekundenkleber und schieben ihn bis auf 1- 1,5 cm tief an Stelle der Farbmine hinein. Anschließend schleifen Sie das Ganze mit einem Arkansas-Ölstein oder Winkelschleifer und ihre Radiernadel ist fertig.

Nadeln für Ätzradierungen

Weil der Lack leicht zu verletzen ist, haben Sie verschiedene Möglichkeiten: Sie stecken eine normale Nähnadel in ein Rundholz, für dickere Striche nehmen Sie eine Stricknadel oder ein beliebig geformtes Stück Metall oder Hartkunststoff.

Aufbewahrung und Schleifen

Zur Aufbewahrung stechen Sie die Nadel in einen Weinkorken, damit die Spitze nicht beschädigt wird. Wenn Sie die Nadel einige Zeit nicht benötigen, sollten Sie diese einölen, um sie vor Oxidation zu schützen. Zum Anspitzen der Nadel benötigen Sie einen Arkansas-Ölstein oder „Indischen Stein“ mit etwas säurefreiem Öl. Verwenden Sie kein Wasser, da die Nadel sonst rostet. Zur Überprüfung der Schärfe fahren Sie mit der Spitze des Stichels oder der Nadel leicht über den Fingernagel. Hakt sie, ist die Schärfe meist gut. Einen beim Anschleifen entstandenen Grat entfernen Sie durch Einstoßen der Nadel in ein Stück weiches Holz.

Punte ammanicate incisione
Radiernadeln und Stichel – Abbildung einbebunden aus http://commons.wikimedia.org, Toni Pecoraro. Quelle und Lizenz durch Klick ins Bild

Stichel

Zu Sticheln und Kupferstich siehe im Buch auch S.15
Stichel bestehen aus dem eigentlichen Stichel und dem Heft. Im Gegensatz zur Nadel, die nur spitz zuläuft, haben die Stichel unterschiedliche Profile. Stichel sind vor allem für den Kupferstich und die Kaltnadelradierung von Bedeutung. Man unterscheidet folgende Profile:

Für alle Stichel gilt ein Anschliffwinkel von 45° bis 60°

Herstellung eines Gravurstichels

Ein Gravurstichel besteht aus einem Vierkantstahl, der quadratisch, besser rautenförmig ist.

  1. Schleifen Sie die Ecken (Kanten) absolut scharf.
  2. Erhitzen Sie den Stahl rotglühend, biegen ihn zurecht und schrecken ihn in Wasser ab. Dadurch wird der Stahl „glashart“, aber bruchempfindlich.
  3. Polieren Sie die Kanten und Oberflächen.
  4. Nun folgt das sogenannte „Anlassen“: Wenn Sie die Stahlspitze vorsichtig erhitzen , verändert sich die Farbe des Stahls: Zuerst ist er blassgrau, dann dunkelgrau, anschließend wechselt die Farbe zu dunkelblau (erstes Blau). Beim weiteren Erhitzen folgt als nächste Farbstufe ein zweites Grau und ein weiteres, helleres Blau. Erhitzt man weiter, ergibt sich ein dunkel glühendes Rot. Wenn man den Stahl bei einer dieser Farben abschreckt, so bedeutet jede Farbstufe eine weitere Härtungsstufe, aber auch Versprödung. Die beste Abschrecktemperatur für ein Graviereisen liegt beim zweiten Grau.
  5. Nun wird das Ende noch im Winkel von 45° angeschliffen. Bei einem Winkel von 30°, wie er beim Holzstich verwendet wird, bricht die Spitze leicht ab. Ein Winkel von 60° lässt sich nicht gut führen, kann jedoch gut für Punktgravur und Stoßgravur verwendet werden. Wenn die Spitze des Stichels nicht sehr scharf ist, können Sie keine feinen Linien ziehen.Zum Anschleifen bewegen Sie den Stichel im Winkel von 45° rotierend mit etwas Öl auf einem (Arkansas-) Schleifstein.
    Genauere Beschreibungen und Abbildungen im Buch …
Gravers.jpg
Stichel – Abbildung aus http://commons.wikimedia.org, PD, Harald Hansen Lizenziert als „Gemeinfrei“ über Wikimedia Commons

Fadenstichel

Fadenstichel haben je nach Rasterfeinheit 2-25 feine Schneiden. Die Rasterstärke wird nach Feinheitsnummern angegeben, „so entspricht Nr.12 einem 70er, Nr. 14 einem 60er, Nr. 16 einem 54er, Nr. 18 einem 48er und Nr.20 einem 40er Raster. Nr.12 hat demnach eine Rasterfeinheit von 70 Linien pro Zentimeter, Nr. 20 eine Rasterfeinheit von 40 Linien/cm. …Der Stichel wird zur Arbeit in den Handballen gelegt und mit Daumen und Zeigefinger festgehalten. Er sollte aus der umschlossenen Hand nur etwa 2 cm herausstehen. Neue Stichel müssen daher entsprechend gekürzt werden.“
Fadenstichel sind besonders für Parallelschraffuren geeignet.

Traditionelle Radierwerkzeuge

Engraving tools00
Theodore Henry Adolphus Fielding ((1781-1851) aus: „The Art of Engraving“ 1841, Abbildung einbeungden von commons.wikimedia.org / Quelle http://www.antiqueprints.com/Info/etching.php

Engraving tools – (a) Radiernadel, etching needle, (b) Schaber, scraper, (c) and (d) Polierstähle, burnishers, (e) Gravierstahl, graver, (f) scooper, (g) scraper for mezzotints, (h) stipple graver, (i) roulette for mezzotints, (j) Mezotintomeser, Granierstahl, shading tool for mezzotints, (k) Roulette, roulette for mezzotints, (l) dry-point graver, (m) Punktierhammer, Spitzhamer, hammer, (n) Tampon für Weich- und Ätzgrundauftrag, dabber for applying the ‚ground‘, (o) brushes for applying varnish (p) calliper compasses.

Mattoir

Das Mattoir ist ein in der Crayonmanier gebräuchliches Radierwerkzeug, ein gezähntes Hämmerchen das kolbenförmig oder feilenähnlich endet. Damit können Sie Striche aus lauter kleinen Punkten, ähnlich dem Kreidestrich, auf die Platte aufbringen.

Roulettes
Roulettes, Moulettes und Granierwalzen – Abbildung aus http://commons.wikimedia.org, Toni Pecoraro, Lizenz durch Klick ins Bild

Roulette

Die Roulette ist ein gezähntes Rädchen, das einseitig auf einer Achse aufgehängt ist und leicht in Kurven geführt werden kann. Die Achse muss stets sorgfältig geölt werden. Die Zähnchen ergeben punktartige Plattenverletzungen. Durch Druckveränderung erhalten Sie im Abdeckgrund unterschiedliche Tiefen und damit nach der Ätzung unterschiedliche Grauwerte mit einer „großen Weichheit des Tones“ Die Roulette kann bei bereits gerasterten Platten auch dazu verwendet werden, zu tiefe Töne wieder aufzuhellen.

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Roulette, Abbildung aus http://commons.wikimedia.org, – Popular Science Monthly Volume 46, Gemeinfrei

Moulette

Die Moulette ist das Pendant zur Roulette, besteht jedoch aus einer kleine Zahnwalze, die beidseitig aufgehängt ist. Sie wird für flächige Wirkungen verwendet.

Granierwalzen

Werkzeug aus dem Kupferstich. Granierwalzen sind größer als die Moulette, werden zum Aufrauen ganzer Flächen verwendet. (Granum, lat,: „Korn“, körnig machen, aufrauen).

Mezzotintomesser

  • Wiegeeisen ,Wiegestahl,Granierstahl (dt.)
  • cradle, rocher (engl.)
  • berceau à poncer, grenoir (frz.)

Stahlinstrument mit bogenförmig gezähnter Schneide (Wiege), mit dem bei der Schabkunst (Mezzotinto) die Platte aufgeraut wird.

Mezzaluna berceau
Mezzotinto-Messer, Toni Pecoraro, Abbildung aus http://commons.wikimedia.org, Lizenz durch Klick ins Bild

Das spachtelartige Messer ist an der gerundeten Schneide mit kammartigen Zähnchen besetzt, die durch schaukelnden Druck auf die Kupferplatte (“wiegen“) diese aufrauen und damit den dunklen Grundton des Abdrucks erzeugen.

Echoppe

  • Bollstichel, Korrekturstichel

Die Echoppe ist eine schräg angeschliffene Radiernadel mit rautenförmiger oder ovaler Spitze, die Sie aus einer abgebrochenen Radiernadel zurechtschleifen. Sie entspricht dem runden Korrekturstichel. Mit der Echoppe lassen sich modellierte Linien erzeugen, indem Sie die Nadel beim Zeichnen leicht hin-und herdrehen. Die Echoppe dient auch zur Nachahmung breiter Federstriche. Sie können damit auch kleine Löcher und Vertiefungen in die Platte drehen. (Beispielarbeit: Bosse)

Schaber

  • Radiermesser, Schaber, Hohlschaber, Dreikantschaber
Sabr 02
Schaber, Abb aus Wikimedia.commons eingebunden, PD, Lizenz durch Klick ins Bild

Wichtiges Radierwerkzeug für Mezzotinto: Steil gestellt schaben Sie eine kleine Fläche, flach geführt eine größere Fläche. Im Kunstfachhandel ist der Schaber als Kombination von Schaber und Polierstahl erhältlich. Verwenden Sie den Hohlschaber zur Korrektur feiner Linien mit etwas Öl oder Leinölfirnis.

Polierstahl

Brunitoio raschietto
Polierstähle, Abb. von Toni Pecoraro eingebunden aus Commons.wikimedia.org, PD, Lizenz durch Klick ins Bild

Brunissoir (frnz.)
Um radierte Nadeln wieder zuzudrücken oder in der Mezzotintotechnik Helligkeiten aus der Platte herauszudrücken, verwenden Sie den Polierstahl.

Punzen

Punzen sind ursprünglich Werkzeuge der Goldschmiede. Es sind Stahlstifte, die an der Spitze eine zugeschliffene oder gegossene Form haben, mit der Sternchen, Striche, kleine Kreise oder Ornamente ins Metall geschlagen werden. In Werkzeughandlungen sind Schlagpunzen erhältlich, die als Buchstaben ausgebildet sind. Punzen werden mit dem Hammer ins Metall, Holz oder Leder geschlagen.

Mit Punzen und Messern wurde im 15.Jahrhundert auf Metall- und Holzplatten der sogenannte „Schrotschnitt“ (auch: „Metallschnitt“) praktiziert. Dabei druckt die Platte vollflächig und die Linien bleiben weiß. (Weißschnittverfahren)

Spitzhammer

Spitzhämmerchen sind ähnlich ausgebildet wie Punzen, haben jedoch Hammerform.

Carborund- Radierstifte

Diese sind mit verschieden feinem Korn erhältlich. Sie bestehen aus zusammengepresstem Schmirgel und haben unterschiedliche Körnungen. Sie ritzen jedoch nur oberflächlich und ergeben bei der Kaltnadel ohne Verstählung nur wenige Abzüge. Zur Lackverletzung bei der Radierung sind sie jedoch geeignet.

Bleistiftradierung

Mit einem weichen Bleistift wird auf einem dünnen Ätzgrund wie mit einer Radiernadel, jedoch wesentlich weicher, gezeichnet und dann geätzt.

Holzspan

Wenn Sie mit einem weichem Holz in die eingefärbte Platte polieren, es ergibt sich ein Mezzotintoeffekt. Das ist auch dazu geeignet, um Weißhöhungen herzustellen.

Unkonventionelle und aleatorische Radierwerkzeuge

Nach der Definition der Radierung ist alles als Werkzeug geeignet, mit dem der Abdecklack verletzt werden kann – zum Beispiel

  • Glasscherben
  • Nägel
  • Nagelfeilen
  • Messer …


Anmerkungen:
Diese Onlineversion basiert auf dem ersten Buchmanuskript aus dem Jahr 1997. Die erste – bereits stark erweiterte und überarbeitete – Buchauflage erschien im Jahr 2004.
Aktuell ist das Buch in der nochmals korrigierten und erweiterten 7.Auflage vom Jahr 2020 erhältlich. Während die einzelnen Seiten dieses Webauftritts oft nur wenige, kurze Absätze enthalten, ist das Buch aktuell zweispaltig und mit minimalem Rand auf 232 DIN-A4-Seiten bedruckt, weil die zahlreichen Informationen nur noch so zwischen zwei Buchdeckel passen. Das Buch enthält nur wenige Illustrationen, dafür umso mehr „Input“. Als ergänzender ‚Bildspeicher‘ dient dieser Onlineauftritt.

Die Website besteht auch seit 2004 – sah früher allerdings so aus: ➥ www.ätzradierung.de ;-). Mit der gedruckten Auflage ist die Website nur in Ansätzen vergleichbar, sie enthält nur einen Teil der Informationen vom Buch und kann nicht korrigierte Fehler enthalten.

Informieren Sie sich vor der Anwendung der Rezepturen unbedingt auch aus anderen Quellen! Beachten Sie das Kapitel ➥ Vorsicht Chemie!

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