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Ein Abriss zur Kunstgeschichte der Radierung
Dieser Überblick zur Kunstgeschichte der Radierung kann zwangsläufig nur fragmentarisch sein. Das Literaturverzeichnis im Buch verzeichnet auf 10 Seiten Verweise auf umfangreiche Abhandlungen zu diesem Themengebiet aus 500 Jahren.
Unterkapitel
- Radierer + Drucker
- Tiefdrucktechniken
- Edeldruckverfahren
- Linktipps & Literatur
- Internationale Grafik-Ausstellungen
Vorläufer der Radierung
Die Ursprünge der (Ätz-)radierung gehen auf Handwerkskunst der Goldschmiede und Waffenschmiede zurück. Sie hatten zur Verzierung der Rüstungen verschiedene Ätzverfahren entwickelt.
Radierung im 16. Jahrhundert
Im 16.Jahrhundert suchten die Künstler und Drucker einen Ersatz für den zeit- und arbeitsaufwändigen Kupfer- und Holzstich, mit dem sie Zeichnungen, Illustrationen und Stadtansichten vervielfältigten. Albrecht Dürer verwendete anfangs Eisenplatten für die Ätzung, eine Technik, die er wohl den Waffen- und Schmuckherstellern abgeschaut hatte. Die Erfindung und erste Eisenradierung wird Urs Graf zugeschrieben.
Die Ätzradierung bot gegenüber dem Kupferstich den Vorteil des schnellen Arbeitens und einer freien Strichführung. Mit der Entwicklung des internationalen Handels und Kunsthandels bildeten sich Verlage, deren Absatzmarkt das gesamte Europa war. Diese trugen in den Niederlanden, Frankreich, Deutschland und Italien zu einer schnellen Verbreitung der Ätzradierung bei.
Das zu Wohlstand gekommene Bürgertum der Kaufleute war als Absatzmarkt für wohlfeile Reproduktionen von Gemälden oder Landschafts- und Stadtdarstellungen („Veduten“) vorhanden. So stand zu Beginn der Entwicklung eher der handwerkliche als der künstlerische Aspekt im Vordergrund
Die Radierung im 17. Jahrhundert
Im 17.Jahrhundert kamen die Künstler zu überragenden Leistungen, vor allem durch die Entdeckung der Stufenätzung. Jacques Callot (1592-1635) und Claude Lorrain (1600-1682) entwickelten die Radierung zu einem eigenständigen Mittel freier künstlerischer Entfaltung. Rembrandt Harmensz van Rijn (1606-1669) brachte die Strichätzung schließlich zur Perfektion.
Die Radierung im 18. Jahrhundert
In der Kunstgeschichte der Radierung waren in Italien im 18.Jahrhundert Giovanni Battista (Giambattista) Tiepolo (1696-1770) und Giovanni Battista Piranesi (1720-1778), in Spanien Francisco José de Goya (1746-1828) die herausragenden Künstler dieser Technik. In Deutschland müssen Daniel Chodowiecki (1726-1801) und Johann Elias Ridinger (1698-1767) genannt werden, in England John Flaxman (1726-1826) und William Blake (1757-1827).
Die Radierung wurde in Frankreich zu dieser Zeit noch als „gravure en eau forte“ (Gravur mit starkem Wasser=Säure) bezeichnet, im Unterschied zur „gravure au burin“, dem Kupferstich.
William Blake (1757-1827) gilt als Erfinder der Relief-Radierung (Prägedruck). Mit dieser Technik konnte er Schrift direkt in die Platte integrieren. Er muss wohl eine Möglichkeit gefunden haben, vor der Ätzung die Schrift als Abdeckung spiegelverkehrt auf die Platte zu übertragen und darum herum durch Tiefätzung freizustellen.
Die Erfindung der Aquatinta-Radierung wird Jean Baptiste Le Prince (1734-1781) zugeschrieben. Sie eröffnete neue Möglichkeiten der Darstellung, die besonders Francisco José de Goya y Lucientes virtuos einsetzte.
Grauwerte konnten nun schnell und einfach erzeugt werden und die Aquatinta ermöglichte erstmals durch Übereinanderdruck mehrerer Platten farbige Drucke. Bunte Aquarelle konnten von nun an mit einer Drucktechnik reproduziert werden.
Ende des 18.Jh. wurde die Radierung durch die Erfindung der Lithographie als Mittel der Vervielfältigung und Reproduktion vorläufig abgelöst.
Die Radierung im 19. Jahrhundert
Gegen Mitte des 19.Jahrhunderts begann eine neue Belebung der Technik, vor allem in der Kombination von Ätzung, Kaltnadel, Aquatinta, Crayon- und Schabtechnik. Die Radierung erhielt eine neue Eigenständigkeit als künstlerisches Ausdrucksmittel.
Francis Seymour Haden gründete gemeinsam mit James Whistler in Großbritannien die Royal Society of Painter-Etchers and Engravers. Die Blüte hielt bis ca. 1930 an, als durch die Weltwirtschaftskrise der Sammlermarkt zusammenbrach.
Auch Edgar Degas verwendete – wie zahlreiche andere Impressionisten – die Radierung.
Der leicht verwaschenen Strichführung nach könnte es sich bei dieser Abbildung auch um eine Vernis-Mou-Radierung handeln, bei der mit Bleistift auf ein über der Druckplatte liegendes Papier gezeichnet wurde
Radierung im 20. Jahrhundert
Abbildungen aus dem 20.Jahrhundert können aus Gründen des Copyrights / Urheberrechts nur von Kümstlern werden, die vor 1950 gestorben sind, weil das Urheberrecht (in der BRD) bis 70 Jahre nach dem Tod des Urhebers gilt. Dies soll den Erben eine wirtschaftliche Verwertung sichern. Abbildungen finden Sie eventuell über die Links der Wikipedia-Einträge (Wp). Auch über die Google-Bildersuche sind Abbildungen zu finden – bei den Google-Verlinkungen sind passende Abbildungen jedoch meist Zufallstreffer. Umfangreich sind jedoch die Quellen von commons.wikimedia.org. Weitere Quellen habe ich auf meiner Website zur Kunstgeschichte verlinkt: https://www.autenrieths.de/kunstgeschichte.html
Emile Bernard (Wp / Go (1868-1941) verwendete die Zinkographie. Henri Matisse WP / Go setzte die Radierung vorwiegend für seine Umrisszeichnungen ein, Georges Braque, Marc Chagall, Georges Rouault verwendeten die Radierung.
Beispiel: Pablo Picasso
Zur Verwendung der Radierung sei exemplarisch Pablo Picasso als prominenter vertreter der Kunstgeschichte angeführt:
Er arbeitete und experimentierte virtuos mit Radierung, Aquatinta, Direktätzung und Aussprengtechniken. Picasso illustrierte im Auftrag verschiedener Pariser Verleger mehrere Gedichte mit Radierungen, die in Auflagen von 100-250 Exemplaren erschienen. Er arbeitete dabei mit mehreren Druckern zusammen, die für ihn den Auflagendruck seiner Platten durchführten.
Die Verwendung von Drucktechniken hatte für Picasso und andere etablierte Künstler durchaus auch markttaktische Gründe, weil zu jener Zeit Gemälde bereits Preisregionen erreicht hatten, die für viele unerschwinglich geworden waren. Die etablierten Künstler wollten die weniger Betuchten als Kunden nicht verlieren und boten diesem Personenkreis die günstigere Drucktechnik.
Die Serien über Stiere, die Picasso damals fertigte und von jedem Zustand mit etwa 15-20 Exemplaren vermarktete, hatten zudem eine weitere Qualität: Man konnte (und kann) ihm in diesen Druckserien „bei der Arbeit über die Schulter sehen“, beobachten, welche Weiterentwicklung und neue Idee in jedem Zustandsdruck hinzukam. Dies macht auch eine der großen Qualitäten und Vorteile der Druckgrafik gegenüber anderen künstlerischen Techniken aus.
Beispiel: Salvador Dali
Auch Salvador_Dalí arbeitete virtuos mit der Radierung, wobei er ebenfalls Werkstätten mit der Ausführung und Druck, sowie Kolorierung beauftragte. (Bei Auflagen von 250 Stück kein Wunder.) Dali mixte munter Aquatinta und Lithografie, Heliogravüre und Strichätzung. Bei ihm habe ich zuerst sogenannte „wood-etchings“ gesehen, die ich erst für farbige Aquarelle hielt. Dali vermarktete sich und seine Werke professionell und ließ seine Radierungen auf Papier drucken, das mit eigenem Wasserzeichen versehen ist.
„Radierende“ Künstler des 20.Jahrhunderts
Die Entwicklung der Radierung nach 1945 wurde in der Kunstgeschichte entscheidend durch die Experimente von Stanley William Hayter (geb.1901) beeinflusst, der in seinem ‚Atelier 17‘ in New York mit anderen Künstlern die Bandbreite der Bearbeitungmöglichkeiten gewaltig verbreiterte und neue Farbverfahren entwickelte. In Paris experimentierten und lernten viele Künstler bei Johnny Friedländer in der Werkstatt der Druckerei Desjobert dessen Farbtechniken.
Die Maler und Zeichner („peintre-graveurs“) Marc Chagall, Henri Matisse, Fernand Leger, Renato Guttuso, Pierre Soulages und André Masson, Fritz Winter, Willi Baumeister und Hans Arp, die Bildhauer („sculpteur-graveurs“) Henry Moore, Lynn Chadwick, Marino Marini, Ossip Zadkine und Fritz Wotruba sowie viele andere hatten ebenso wie Picasso nach 1945 die Druckgrafik als künstlerische Ausdrucksform für sich wiederentdeckt. Durch Tiefätzungen und Auflöten von Drähten oder Metallstücken kamen haptische Wirkungen hinzu. Licht und Schatten wurden zu Mitteln der Radierung. Im Fluxus wurde die Druckgrafik z.B. durch Niki de Saint Phalle verwendet. Interessante und wirkungsvolle Arbeiten hat Rolf Nesch (geb. 1893) geschaffen.
Kunstgeschichte der Radierung nach 1950
Die Künstler des Informel und des Abstrakten Expressionismus nutzten die grafische Wirkung. Sie experimentierten mit Strukturen und farbigen Übereinanderdrucken, ätzten Platten zum Teil tagelang, sodass Farben krustenähnlich und milimeterstark auf dem Papier liegen. Jean Fautrier, Peter Brüning, K.R.H.Sonderborg sind zu nennen.
In der Pop-Art zählte die Vervielfältigbarkeit. Gerade im Bereich der Druckgrafik war in den 60er Jahren ein expandierender Absatzmarkt für die Künstler vorhanden. David Hockney, Jasper Johns und Richard Hamilton, als Maler berühmt, radierten ebenfalls. Christo überdachte und finanzierte seine Großprojekte durch Druckgrafik.
Die kritischen und phantastischen Realisten der 70er Jahre arbeiteten vor allem mit der fotoähnlichen Aquatinta, so Peter Sorge und Paul Wunderlich.
Kunstgeschichte der Radierung ab 1980
Die Rückbesinnung der 80er Jahre auf Ethno-Kunst brachte die Pinselätzung mit ihrem breiten und urwüchsigen Strich zur Geltung, aber auch die Vernis-Mou, die freie, expressive Strichführungen ermöglicht. Als großartige Radierer unserer Zeit seien Friedrich Mekseper (*1936), Bernhard Luginbühl und Horst Janssen genannt.
Hinweis: aus lizenzrechtlichen Gründen sind bei Künstlern, deren Todestag weniger als 80 Jahre zurück liegt, keine Abbildungen eingefügt